Ссылки за август 2019

Deutschlands digitale Rezession: Nichts Neues bitte, läuft doch auch so

Sollte es wirklich eine Rezession geben, wird die deutsche Wirtschaft zwar schnell Donald Trump als Schuldigen identifizieren. Aber die eigenen Versäumnisse wird sie ausblenden wie bisher.

Die nächste Rezession wird eine digitale sein. Darunter verstehe ich einen Rückgang der wichtigsten Wirtschaftszahlen in zwei aufeinander folgenden Quartalen auf Grund digitaler Versäumnisse. Die digitale Rezession also wird offenbaren, dass dieses superreiche Land auf zerstörerische Weise von seiner Substanz gelebt hat.

Allerdings - auch wenn sich die Expertenstimmen und Warnzeichen mehren, ist nicht sicher, ob tatsächlich eine Rezession kommt. Der Komplexitätsgrad einer weltweit vernetzten und globalisierten Wirtschaft ist längst so hoch, dass Vorhersagen mit den oft seit Jahrzehnten unveränderten Methoden und Kriterien immer weniger verlässlich werden. Wenn sie überhaupt je verlässlich waren.

Aber angenommen, es handelt sich nicht nur um eine kurze Abkühlung der Konjunktur, sondern um eine echte Rezession. Dann wird, so ist es Tradition in Deutschland, zu allererst ein Schuldiger gesucht. Natürlich steht das Ergebnis dieser Suche längst fest: Donald Trump. Es mangelt mir wahrlich nicht an Trump-Gegnerschaft, und seine Amokpolitik hat der deutschen Wirtschaft zweifellos Steine in den Weg gelegt. Die EU-feindlichen, extremistischen Regierungskräfte in halb Europa kommen hinzu, ebenso wie die Unruhen in China und die mögliche Überhitzung der dortigen Wirtschaft. Aber es ist Teil des Problems, dass solche Erklärungen - wir sind nicht Schuld, es sind die Umstände - zur deutschen ökonomischen Folklore gehören. Deutschland ist nämlich auch Schuldexportweltmeister.

Und so wird im Falle einer Rezession eben Trump und seiner zweifellos stumpfen Handelspolitik die Verantwortung zugeschoben werden - unter weitgehender Ausblendung der Versäumnisse der deutschen Wirtschaft. Die lassen sich grob so zusammenfassen:

Kurz, substanzielle Teile der deutschen Wirtschaft haben nicht erkennen können oder wollen, dass die gestrigen und heutigen Erfolgsrezepte morgen nicht mehr zwingend funktionieren werden. Es funktioniert doch auch so. Das ist das Prinzip von Comicfiguren, die in voller Geschwindigkeit noch ein ganzes Weilchen über dem Abgrund weiterlaufen können, bevor sie erkennen, dass sie längst die Richtung hätten ändern sollen - und herunterfallen. So erfolgreich zu sein, dass der Druck, sich zu wandeln, praktisch auf Null sinkt, das ist das große, deutsche Luxusproblem. In Zeiten der Digitalisierung ist das gleichbedeutend damit, von der eigenen Substanz zu leben. Die kommende, digitale Rezession ist hausgemacht und beruht auf der Hybris, die Wucht und Radikalität der digitalen Transformation einfach ausgeblendet zu haben.

Eine erschütternde Gegenüberstellung verdeutlicht das. Das nach Umsatz größte deutsche Digitalunternehmen ist die Deutsche Telekom mit 75 Milliarden Euro 2018. Mal zur Einordnung: Das sind fast dreißig Milliarden Euro mehr Umsatz als Facebook. Das umsatzstärkste amerikanische Digitalunternehmen war im letzten Jahr Amazon mit rund 203 Milliarden Euro. Ein Blick auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung ausweislich der jeweiligen Geschäftsberichte:

Das ist kein Schreibfehler. Klar, die Geschäftsmodelle sind verschieden, aber der Vergleich besagt trotzdem erst einmal: Amazon investiert rund 420-mal mehr Geld in Forschung und Entwicklung als die Deutsche Telekom. Die schreibt in ihren Geschäftsbericht, diese Kennzahl dürfe um Gottes Willen nicht losgelöst betrachtet werden von ihrem "Innovationsdreiklang", bestehend aus "Eigenentwicklungen, Partnerschaften und Start-Up-Förderung". Doch das ist wenig mehr als Wortgeklingel, denn es gibt weltweit für die Berechnung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben präzise festgelegte Bilanzierungsregeln.

Von der eigenen ökonomischen Substanz leben

Die Telekom muss man hier als noch immer drittelstaatliches Unternehmen eher als Symbol denn als typischen deutschen Konzernfall betrachten. Zwar finden sich gerade im Dax immer wieder absurde Totalausfälle wie E.on, das sich ernsthaft getraut hat, für 2018 bei einem Umsatz von über 30 Milliarden Euro absolut unverschämte zwei Millionen Euro für Forschung und Entwicklung auszuweisen - während in dieser Branche anderswo wahre Innovationsexplosionen stattfinden.

Aber eigentlich geben deutsche Konzerne nicht wenig Geld für Forschung und Entwicklung aus, allen voran die Automobilindustrie. Und genau dort ließ sich bis vor kurzer Zeit die Problematik erkennen. Denn das Geld floss nicht zuletzt in die Verbesserung von Verbrennungsmotoren, weil das den durchaus großen Innovationsvorsprung deutscher Automobilunternehmen ausmachte. Von der eigenen ökonomischen Substanz zu leben, heißt konkret: Deutsche Autokonzerne bauen zwar die, nun ja, effizientesten Dieselmotoren des Universums. Aber unter den zehn Konzernen, die 2019 nach Expertenberechnungen die meisten Elektroautos verkaufen werden, finden sich null deutsche. Unter den zwanzig meistverkauften Modellen 2018 war ebenfalls kein einziges deutsches.

Um die Abgehängtheit Deutschlands in diesem Markt mal zu illustrieren: Statt VW, BMW, Mercedes finden sich in den Top Ten der Elektroauto-Konzerne für 2019 Namen wie BAIC, BYD, Chery, JMC, JAC und Hawtai. Allesamt chinesische Unternehmen, von denen in einer durchschnittlichen deutschen Fußgängerzone unter 100 Passanten rund null schon einmal gehört haben dürften. Auch hier wieder ein Vergleich in der Größenordnung: Volkswagen hat 2018 rund 40.000 Elektroautos verkauft. BYD kam auf 250.000. Der Markt für Autos mit Verbrennungsmotor wird detonieren, und die deutschen Konzerne wird es am härtesten treffen. Zwar verdient noch niemand Geld mit dem Verkauf von Elektroautos, aber wir können getrost davon ausgehen, dass es der Antrieb der Zukunft ist.

Deutschland hat sich tatsächlich abgeschafft - digital

Wenn also der überfällige Wandel nicht mehr rechtzeitig gelingt und eine Rezession kommen sollte, dann ist Deutschland trotz des beinahe jahrzehntelangen Großerfolges gerade in Schlüsselindustrien - Automobil, Energie, Digital - schlecht vorbereitet. Und ergänzt sich damit perfekt mit dem desaströsen staatlichen Agieren, was die Substanz des Landes angeht.

Wenn Sie nur einen ökonomisch relevanten Text in diesem Monat lesen, lassen sie es diesen hier sein: "Wo und wie Deutschland seine Infrastruktur ruiniert hat" des Ökonomen Jens Südekum. Er beschreibt darin nüchtern, aber um so schmerzhafter, wie bitter die lebenswichtigen, infrastrukturellen Grundlagen für Gesellschaft und Wirtschaft regelrecht zerstört worden sind. Die Verantwortung dafür tragen die seit gefühlt 62 Jahren herrschenden Regierungen Merkel, die - ganz genauso wie die deutschen Unternehmen - noch stets andere Prioritäten hatten als offensive, zukunftsgewandte Investition. Der Fairness halber muss man sagen, dass die meisten anderen Parteien destruktiven Unfug wie die "Schwarze Null" auch unterstützt haben, allen voran die SPD.

In Zukunft wird sich das besonders in der mangelhaften und immer noch mangelhafter werdenden digitalen Infrastruktur Deutschlands bemerkbar machen. Jeder digitale Wirtschaftserfolg beginnt zwingend mit einer anständigen digitalen Infrastruktur. Gerade erst ist ein weiterer Report erschienen, nachdem Deutschland in der EU die zweitschlechteste Abdeckung mit dem Mobilfunkstandard LTE hat. Das ahnen ja auch ohne Studie ausnahmslos alle, die schon mal ein Smartphone in der Hand hatten und sich aus der Reichweite des heimatlichen WLAN herausbewegten.

Wenn also die nächste, digitale Rezession kommen sollte, werden wir den Umfang dieser Versäumnisse von Wirtschaft und Politik erst voll erkennen: Deutschland hat sich tatsächlich abgeschafft - digital.

Die Podcast-Frage:
Und jetzt?

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